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Collected Aphorisms Notebook And Letters To A Friend
der Idee des Wahren und Guten völlig adäquaten Zustande) und dem zur ewigen Vernichtung. Nach einer dieser beiden Richtungen aber schreitet er immer fort: ein drittes gibt es nicht.

Weil die Zeit einsinnig ist, darum interessiert uns weniger der Zustand vor unserer Geburt. Unsere Geburt setzt etwas Neues, beginnt eine neue Reihe.

Die Wissenschaft ist asexuell, weil sie resorbiert, der Künstler ist sexuell, weil er emaniert.

Der Dualismus liegt darin, daß wir die Empfindungen nicht schaffen, über die wir denken.

Der Idealismus aller Philosophie: „die Welt ist meine Vorstellung“, zeigt die Resorption der Dinge durch das Ich des Philosophen am klarsten. Für den Künstler ist der Mensch eher ein Teil der Welt, er nähert sich den Dingen an und hebt so die Niveaudifferenz zwischen Mensch und Natur auf.

Da das Psychische das Physische schafft, muß der Mensch sterben. So findet der Tod seine Erklärung: entweder nämlich der Mensch ist dem Absoluten gleich geworden, ins ewige Leben eingegangen, dann kann er nicht in materieller Form existieren, begrenzt in Raum und Stoff; er wird, wenn es einen psychophysischen Parallelismus gibt, einen Leib bekommen, der mit der ganzen sichtbaren Natur eins geworden ist, er wird die Seele der Natur, die Natur sein Körper, so wie der Baum, unter dem Buddha starb, bei seinem Tode plötzlich zu blühen angefangen haben soll: weil neues Leben die ganze Natur durchdrang.

Die andere Möglichkeit ist für den Menschen, daß er dem Nichts anheimfalle; er löst sich in lauter materielle Atome auf: der absolute Verbrecher. Die Vorbereitungen zu dieser psychischen Disgregation werden vom Verbrecher schon im Laufe seines Lebens getroffen. Die Hölle ist die Furcht des Guten vor dem Bösen: weil das Feuer das Agens ist, um Geformtes zu zertreiben und zu zerstäuben. Aber es gibt keine Hölle: der Gute schafft sich, der Böse vernichtet sich selbst.

Der Mensch entsteht körperlich durch Vater und Mutter; geistig durch das Verlangen des Etwas, des Absoluten zum Nichts. Mythus von Uranos und Gaia. Insofern sind wir Kinder Gottes und Söhne des Staubes (der Materie) zugleich. Der Mensch kann auch geistig dem Vater oder der Mutter nachgeraten: dem Vater, indem er Gott wird, der Mutter, indem er psychisch zugrunde geht. So entsteht der Mensch durch eine höhere Art von Vererbung, als das Tier; er kehrt zum Vater zurück, wenn er die Erbsünde verneint, er taucht in die Verborgenheit des Mutterschoßes unter, wenn er sie bejaht.

Ist die Epilepsie nicht die Einsamkeit des Verbrechers? Fällt er nicht, weil er nichts mehr hat, an das er sich anhalten könne?

Inwiefern es um die psychischen Phänomene ein anderes ist als um die physischen, kann man aus folgendem erkennen. Gesetzt, es wäre festgestellt, daß eine unmoralische Regung stets mit einer bestimmten Körperbewegung, einem bestimmenten Gefühle im Herzen assoziiert wäre, eine moralische Regung stets mit

einer anderen Geste, einer anderen körperlichen Empfindung verbunden, und die Art und die Lokalisation dieser physischen Begleiterscheinungen sei der Wissenshaft oder einem einzelnen Menschen ganz genau bekannt und für ihn wiedererkennbar: so wäre es ganz und gar, im allerhöchsten Grade, unmoralisch, wenn dieser Mensch die Begleitempfindungen als Maßstab dafür benützen wollte, ob seine psychischen Regungen moralisch seien oder nicht.

Hier liegt der eigentliche Unterschied des Psychischen vom Physischen. Das Psychische muß unmittelbarer erkannt werden, als das Physische – das ist eine Forderung der Ethik. Man besitzt eben noch einen anderen Maßstab und ein anderes Erkenntnis- und Beurteilungsorgan für das, was man selbst tut und denkt und fühlt, als für die äußeren Phänomene. Und darum kann bloß Selbstbeobachtung wahre Resultate liefern: Philosophie und Kunst sind nichts als verschiedene Weisen einer vertieften Selbstbeobachtung.

Nur aus sich selbst kann der Mensch die Tiefe der Welt erkennen: in ihm liegen die Zusammenhänge der Welt.

Daß wir keine Erinnerung an ein Leben vor der Geburt haben, bildet sowenig einen Einwand gegen die Erbsünde und den Fall aus der wahren Existenz, daß es vielmehr gar nicht anders sein kann, als so, und eine Erinnerung an ein Vorleben geradezu einen Widerspruch gegen den Gedanken des Sündenfalles bilden müßte. Denn diese Erinnerung würde die Zeit inkludieren; die Zeit ist aber erst mit der Geburt, mit dem Sündenfall, da. Daß es Probleme, Krankheit, d. h. Schuld gibt, dies beweist die Erbsünde. Sein und Nicht-Sein dürfen nicht in zeitlichem Verhältnis, sondern müssen nebeneinander gedacht werden.

Der Mord wird vom Verbrecher verübt aus fürchterlichster Verzweiflung: er ist ihm das Mittel, die größte innere Leere auszufüllen; denn als Verbrecher will er nichts mehr, tut er nichts mehr; er sieht, daß sein Leben zu keinem Ende führt, und darum will er etwas bewirken. Dabei ist ihm ganz gleichgültig, wen er mordet; die Mordabsicht richtet sich nie auf ein bestimmtes Individuum, sonst stünde ja Mordlust als psychologische Disposition nicht so tief; er will nur überhaupt morden, verneinen.

Gewöhnung (Übung) )Schuldvermehrung, Funktionder Zeit.
Fortpflanzung )

Alle Schuld sucht von selbst sich zu vermehren: daraus müssen alle Qualitäten des niederen Lebens sich erklären lassen.

Die Vegetarianer haben ebenso Unrecht wie ihre Gegner. Wer zur Tötung lebender Wesen nicht beitragen will, der dürfte nur Milch trinken; denn wer Obst oder Eier ißt, tötet noch immer Keime. Milch ist vielleicht darum die gesündeste Nahrung, weil es die sittlichste ist.

Der Mensch verträgt es nicht einmal, in die Sonne zu schauen – so schwach und unreif ist er.

Die Geburt ist eine Feigheit: Verknüpfung mit anderen Menschen, weil man nicht den Mut zu sich selbst hat. Darum sucht man Schutz im Mutterleibe.

Der Verbrecher hat auch keinen geraden Gang (schiefer Gang des Hundes), nicht nur keinen zentrierten Blick (nach M. Rappaport). Der Verbrecher geht auch stets gebückt (alle Grade bis zum wirklichen Buckel: der Bucklige, der Krüppel, scheint immer böse zu sein).

Zola ist der absolut humorlose Mensch.

Rauch der Sonne bei ihrem Untergange.

Der Ekel verhält such zur Furcht, wie die Lust zum Wert.

Die Fixsterne bedeuten den Engel im Menschen. Darum orientiert sich der Mensch an ihnen; und darum besitzen die Frauen keinen Sinn für den gestirnten Himmel; weil ihnen der Sinn für den Engel im Manne abgeht.

Ob auch die Natur eine Geschichte hat? Ob auch fürs Naturgeschehen als Ganzes (Anorganisches miteingeschlossen) die Zeit gerichtet ist? Insoferne wäre ein Wahres an der Entwicklungslehre (Paläontologie). Ob es eine Entwicklung der Gewitter, des

Wetters gibt (etwa korrespondierend der menschlichen Geschichte und symbolisch für diese?)?

Das Merkwürdige an der Zeit ist, daß trotz der ewigen Veränderung alles in ihr gleich bleibt („alles ist schon dagewesen, “ „nichts Neues unter der Sonne“). Langeweile = Gesetzlichkeit = Kausalität. Neuheit = Freiheit. Die Überwindung der Zeit führt zum Begriff des „Ewig Jungen“ (Wagner). Die Natur ist ewig jung. Denn hier ändert sich wohl nichts und ist doch alles immer neu. Menschen, die wenig Überzeitliches haben, wie die Juden, fühlen sich immer blasiert und gelangweilt, weil in der Zeit sich alles gleich bleibt; Siegfried hingegen ist „ewig jung. “

Die Gegenwart ist so raumlos, wie zeitlos; und das Ziel des Menschen läßt sich bestimmen als Nurgegenwart, als Allgegenwart (man versteht unter Allgegenwart meist nur Freiheit von Raume, statt darunter auch die Resorption von Vergangenheit und Zukunft, von allem Unbewußten in die bewußte Gegenwart zu verstehen). Die Enge des Bewußtseins soll das All umfassen: Dann erst ist der Mensch „ewig jung“ und vollkommen.

Lust ist noch allgemeiner zu bestimmen denn als das Gefühl der Schöpfung. Eindeutig zu bestimmen ist sie nur als Gefühl des Lebens, als Innewerdung der Existenz; Schmerz als Gefühl irgendwelchen Todes (darum ist die Krankheit schmerzhaft).

Gegen den Eudaimonismus ist hierbei soviel zu bemerken, daß das Ziel des Strebens nicht verwechselt werden darf mit dem Gefühl, das sich am Ziele einstellt (das ich aus Erfahrung kennen mag). Wenn ich nach höherem Leben strebe, so strebe ich nach etwas, dessen Begleiterscheinung höhere Lust ist, aber nicht nach der Lust selbst. Ebenso verlangt der Mann nach dem Weibe, das Weib nach dem Manne, nicht direkt nach der Lust.

Alle Worte, welche mit dem Leben in einem gewissen Ausmaße zusammenhängen, haben „L“:

Leben, Liebe, Lust, voluptas, Lachen, leicht, leise, lispeln, Licht, Luxus, Libet (Lubet, lateinisch), volo (ich will = βούλομαι), Lenz, löschen, Lax, Laben, lose, largus, Fluß, Flöte, Lilie, Luchs, locker, schlüpfrig, glatt, gleiten, List, γλυxύς, μέλι, Lotos, lindern, λαμπω, lux, lumen, λύχνος, Lecken, Lappen (weiches Tuch), Lamm, Leim, weil der reibungsloseste Konsonant ist und Reibung der Ganzheit und Einheitlichkeit am stärksten entgegengesetzt (Rappaport).

Es lassen sich hiergegen freilich anführen:

Last, Leder, Lernen, lahm, letum, lechzen, links.

Grundzug alles Menschlichen: Suchen nach Realität. Wo die Realität gesucht und gefunden wird, das begründet alle Unterschiede zwischen den Menschen.

Was der Mensch erlebt, sind jeweilig abgehobene Teile aus einer unendlichen, zeitlichen, räumlichen, stofflichen, farbigen, klingenden Mannigfaltigkeit. Darum sind zunächst zweierlei Dinge möglich: Er sucht die Realität im Ganzen, in der Totalität des Alls und seinem unendlichen Zusammenhang; oder ihm wird zur Realität jedes einzelne, sozusagen punktuelle Element des Weltganzen. Es ist ganz dieselbe Welt, ihrer Quantität nach gleich, ganz gleich unendlich; aber dem einen ist der Teil immer nur Teil und nur soweit real, als er im ganzen mitbegründet ist. Der andere umspannt die gleiche Welt; aber jedes einzelne Element besteht ihm für sich als real, und er sucht unter allen den Teil von größter Realität.

Auf das Religiöse angewendet (denn beide Typen können fromm sein): Dem letzteren kann die Sonne selbst oder eine historische Gestalt selbst, oder die Madonna selbst, an und für sich, zur Gottheit werden. Dem anderen wird immer nur soweit ein einzelnes Ding Gott, als es symbolisch ist für das Ganz, und um so eher, je mehr Dinge in ihm zusammenhängen.

Auf das Sexuelle angewendet: Dem einen ist das einzelne Weib real; es ist der Sadist: Der Sadist wirkt darum auf das Weib, weil es für ihn die denkbar größte Realität ist (vgl. Geschlect und Charakter, 1. Aufl. S 397 bis 401); dem Masochisten hingegen ist das einzelne Weib nie real, er sucht in ihm immer noch nach etwas anderem, als nach dem Weibe. Darum wirkt er nicht auf das Weib.

Der Sadist lebt

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der Idee des Wahren und Guten völlig adäquaten Zustande) und dem zur ewigen Vernichtung. Nach einer dieser beiden Richtungen aber schreitet er immer fort: ein drittes gibt es nicht. Weil